Ich scrolle durch LinkedIn und bin genau noch vier Mal mausraddrehen davon entfernt mich aufzuregen. Meine Aufregung wird nicht berechtigt sein. Aber trotzdem werde ich die Augen verdrehen und genervt Luft durch meine Nase ausstoßen.
Viermal scrollen später sehe ich den Post.
Ich finde einen Post, indem sich jemand darüber ärgert, dass ihm ein Anderer eine Pitch Nachricht auf LinkedIn geschickt hat. Da ist also Mensch gekommen, hat besagtem Beitragsersteller angeschrieben und mit der berühmten rhetorischen Frage, “Ist das grundsätzlich interessant für Sie?”, versucht einen Fuß in die Tür zu bekommen.
Hat (verständlicherweise) nicht funktioniert.
Unter dem Beitrag bekommt der Verfasser viel Zustimmung. “Ach diese ganzen Business Coaches, die sprießen ja wie sonst was aus dem Boden … die sollte man alle … fürchterlich, einfach nur fürchterlich.”
Fakt ist: Keiner mag diese unbeholfenen Kontaktversuche, die ganz offensichtlich in ein Verkaufsgespräch münden sollen. Ey, ich doch auch nicht. Doch ich habe meine Geheimwaffe dagegen schon gefunden. Ich ignoriere sie einfach. Und ja, ich habe auch mindestens 10 dieser Nachrichten im Postfach.
Manchmal denke ich mir natürlich auch, komm da machste dir einen Spaß draus und schreibst irgendwas Lustiges zurück. Mach ich dann aber meistens doch nicht.
Hilft ja auch nicht weiter alle Salesmänner und -Frauen über einen Kamm zu scheren und kollektiv an den Pranger zu stellen. Wir sind ja schließlich nur bei LinkedIn und nicht im wilden Facebook.
Na gut. Ich habe mich gefragt, was kann man denn nun tun, damit die plumpen Vertriebsnachrichten weniger oder besser werden?
Denn dann braucht sich ja auch niemand mehr aufregen über ganz offensichtlich schlecht getarnte Salesversuche, die zwar nerven aber nun auch nicht den Klimawandel beschleunigen oder sonst irgendetwas schreckliches mit unserem Leben tun.
Liebe Werbetexter, liebe LinkedIn-Vertriebler, liebe Nachrichten-Ersteller, liebe Business-Coaches. Die Frage ob etwas “grundsätzlich interessant” ist kann funktionieren – tut sie aber häufig nicht mehr. Sie ist ausgelutscht und durchschaubar. Und das hat ein paar Gründe.
Wir bekommen eine standardisierte Nachricht, die am besten schon einen Link zu einem Angebot enthält. “Ahhhhhhh” denkt sich der Leser, “dieses Angebot wird also an viele Menschen versendet und der Versender hat sich keine Gedanken gemacht, ob das wirklich zu mir passt.”
Oder noch schlimmer, wir erhalten eine erste Nachricht und bekommen in dieser direkt persönliche Fragen gestellt … unangenehm.
Natürlich sind wir dann direkt total abgeturnt. Aber es wird besser.
(RHETORISCHE) FRAGEIn der Nachricht ist häufig noch eine rhetorische Frage enthalten.
Wäre es auch interessant für Sie mehr Umsatz zu machen?Wollen Sie auch automatisiert Kunden gewinnen?Suchen Sie neue qualifizierte Mitarbeiter für ihr Unternehmen, die Wachstum garantieren?Ey ganz ehrlich – da sagt doch keiner “Nein”, oder?
Doch genau das tun wir. Ohne mit der Wimper zu zucken schließen wir das Angebot. Denn es fühlt sich so an als würde uns jemand mit einem viel zu guten Angebot austricksen wollen. Das ist nicht glaubhaft. Und wir hassen es für dumm verkauft zu werden.
Außerdem mögen wir Menschen es nicht, wenn uns jemand etwas verkauft. Einkaufen, das macht Spaß. Etwas angedreht zu bekommen? Nein danke! Der Verkäufer interessiert sich dann nämlich ganz offensichtlich nicht dafür uns zu helfen, sondern will eigentlich nur … na klar … , unser Geld.
Solchen Nachrichten fehlt es an Raffinesse, Glaubwürdigkeit, einer Spur Persönlichkeit und einfach ein bisschen Individualität.
Unser Ziel ist es ja mit einer Nachricht, die Tür irgendwie ein Stück zu öffnen. Und die ersten paar Sätze entscheiden nun mal darüber ob die Tür sich öffnet und einen Spalt breit offen bleibt oder, ob sie mit einem lauten WUMS direkt wieder zugescheppert wird.
Wir haben ja schon gemerkt, Stumpf ist nicht Trumpf. Ne billige Nachricht, hat genau soviel Erfolg wie ein billiger Anmachspruch. Nämlich gar keinen.
Was wäre wenn man mal eine total ehrliche Nachricht schreibt. Das heißt man versucht sich nicht hinter fadenscheinigen Aussagen zu verstecken, sondern schreibt Tacheles.
Hier ist mal ein Versuch von mir:
Hallo NAME,
ich bin ein Salesmitarbeiter! Ich will ihnen was verkaufen, aber nicht sofort.
Ich weiß ich kann Sie nicht mit 2 Sätzen davon überzeugen. Dass sie mit uns 20% mehr Umsatz machen sowie zum Beispiel die Firma MUSTERKUNDE.
Aber sie können ganz leicht herausfinden, ob das vielleicht ein interessantes Angebot für Sie ist. Kostet Sie nur 2 min. Ja, ich weiß 2 min haben die meisten Menschen nicht, aber unser Produkt hilft! Und wenn Sie diese Vorteile die wir hier zusammengefasst haben komplett kalt lassen, dann ist das vermutlich wirklich nichts für Sie. (Was natürlich völlig in Ordnung wäre.)
Falls Sie dann doch ein bisschen Interesse bekommen haben könnten wir kurz telefonieren. natürlich unverbindlich. Wenn Sie der Meinung sind wir können Ihnen helfen, dann mache Ich Ihnen am Ende ein Angebot. Über dieses Angebot können Sie dann nachdenken solange sie wollen.
Achja und Sie haben mich erwischt, diese Nachricht ist vorformuliert. Eine Standardnachricht. ABER ich habe mir auch ihr Profil angeschaut! Deshalb weiß ich zum Beispiel auch das exakt XY Personen Ihre Fähigkeiten in XY bestätigt haben. 😉
Viele Grüße
Matthias ich bin kein Salesroboter Schacknies
Ich weiß: Das ist auch noch nix Bahnbrechendes. Aber es ist ehrlich, nimmt viel Druck raus, versucht witzig zu sein – zumindest ein bisschen witzig.
Damit fühlt es sich doch schon etwas bessern an als: “Hallo ich bin ein emotionsloser Zombie, der nur dein Geld im Kopf hat, wollen wir telefonieren? Bitte gerne sofort!” … oder was meinst du?
Oder schreib doch mal etwas, dass im ersten Moment keinen Sinn ergibt, wie zum Beispiel:
“Danke, dass du unser Produkt bisher noch nicht in Betracht gezogen hast. Denn ganz ehrlich, sonst hätte ich keinen Job und ich liebe meinen Job …”
Diese beiden Ideen können ein Türöffner sein und sie können ggf. auch schnell mal was verkaufen. Doch das ist ja ohnehin nicht das, worum es eigentlich geht.
Jemanden mit ausgelutschten Vertrieblerphrasen anzugehen funktioniert – aber nicht gut bzw. es kann auch einen großen Schaden anrichten.
Sobald nämlich so eine Nachricht in einem Postfach landet und die Person, den Inhalt nicht “grundsätzlich interessant” sondern, “grundsätzlich eher nervig” findet, ist die Beziehung verkorkst..
Am Ende des Tages sollte man sich vor Augen halten: Wir kommunizieren immer mit einem anderen Menschen. Einem Menschen, dem wir respektvoll begegnen sollten.
Die meisten Menschen wollen auf LinkedIn ein ein aktives Netzwerk aufbauen. Sie wollen sich mit interessante Menschen vernetzen. Solche die wir mögen, die mit uns spannende Themen diskutieren, Mehrwert liefern und uns dabei helfen zu wachsen …
Aber was auch klar ist: Beziehungen sind keine Einbahnstraße. Egal, ob es eine Beziehung zu einem Mitarbeiter, einem Partner, zum Nachbar oder sonst wem ist.
Und das Tolle daran: Eine Beziehung, die auf Mehrwert, Respekt und Vertrauen basiert, die wird sich umso mehr auszahlen.
Gute Geschäftsbeziehungen fangen oft schon bei der ersten Nachricht an; oder sie enden dort. Vor allem, wenn man wie ein gehirnloser Zombie Menschen anschreibt, die einen nach den ersten zwei Sätzen in eine Schublade stecken und dort auch nie wieder rauslassen.