Wir leben im Zeitalter der Wissens-Arbeiter, hat Peter Drucker schon vor knapp 50 Jahren gesagt. Heißt ganz einfach: Es gibt immer mehr Menschen, die mit dem Kopf arbeiten und für das Denken bezahlt werden. Und auch wenn es nicht so aussieht - die Arbeit mit dem Kopf ist anstrengend.
Was wir nämlich tun, wenn wir da an unseren Schreibtischen sitzen, ist große und kleine Probleme zu lösen. Ein “Knowledge-Worker” beschäftigt sich mit Rätseln der modernen Welt, hinter denen keine Routine steckt. Denn auch wenn zum Beispiel ein Designer den ganzen Tag nur Logos entwirft, so muss er doch jedes Mal “neudenken”. Das strengt den Kopf an.
Und es muss ja nicht immer ein Logo sein, auch kleine Problemchen können so herausfordernd werden, dass ein müder Kopf sie kaum noch lösen kann. Eine E-Mail schreiben ist ja eigentlich kein Stress, oder? Ja manchmal eben doch: Du willst einem Kunden eine E-Mail schreiben, in der du bestimmt auftrittst, aber auch freundlich. Du willst möglichst seriös und professionell rüberkommen, aber nicht verklemmt. Und außerdem willst du alle wichtigen Informationen transportieren und nicht missverstanden werden.
Uff … ja natürlich kostet das mal 20 min (oder eine Stunde) so eine E-Mail zu schreiben.
Hausarbeiten, Powerpoint-Präsentationen, Briefings, ein Webdesign, eine Strategie-Analyse, oder ein Interviewleitfaden ...
Studenten, Werbetexter, Wissenschaftler, Projektleiter, Journalisten, Redakteure, Manager, Content-Ersteller, Webentwickler, Designer, und und und … sie alle lösen täglich kleine oder große Herausforderungen mit dem Kopf. Und das ist scheiße anstrengend. Denn irgendwann kommt immer der Punkt, wo besagtes Denkorgan dicht macht.
Doch wie holen wir uns dann die Konzentration zurück? Wie können wir den Kopf wieder fit machen, wenn der nur noch aus Knetmasse besteht? Wie schraubt man den Output wieder hoch und löst die kleinen Probleme, die wir eben lösen müssen?
Wenn wir mit dem Kopf arbeiten und Probleme lösen, dann brauchen wir dafür zwei Denkmodi. Diese beiden Denkmodi sind wie Yin und Yang. Wir brauchen beide, damit wir Probleme schneller, einfacher und kreativer lösen können.
Den fokussierten Modus nutzen wir, wenn wir uns wirklich mit dem Problem beschäftigen. Wir denken über etwas bewusst nach, schreiben, formatieren, designen, machen uns Notizen, usw. ...
Im fokussierten Modus sind wir da. Wir jonglieren mit einer Handvoll Informationen bewusst herum. Wir machen. Es wird sich aktiv mit dem Problem auseinandergesetzt. Und genau in diesem Modus erreichen wir auch irgendwann den Zustand, dass wir nicht mehr weiterkommen. Ende im Gelände. Der Kopf macht zu. Das kann 20 min, 30 min oder 3 Stunden dauern. Aber irgendwann funktioniert der fokussierte Modus nicht mehr. Unser Output wird weniger und landet irgendwann bei Zero.
Ein Beispiel dafür ist Folgendes:
Du bist im Gespräch mit deinen Freunden und ihr redet über eine Serie, die ihr beide kennt. “Da spielt doch der eine mit. Wie heißt der nochmal? ... also der Schauspieler meine ich.” Das ist eine Aufgabe, in der unser fokussiertes Denken angeworfen wird. Wir wissen, dass der Name des Promis irgendwo in unserem Kopf hängt, er liegt uns schon fast auf der Zungenspitze … und doch bekommen wir ihn nicht raus.
Jetzt können 2 Dinge passieren. Entweder du kommst auf den Namen. Für einen kurzen Moment bist du der Held des Gesprächs, dein Gehirn hat eine Meisterleistung vollbracht. Oder du findest den Namen nicht ...
Du versucht es krampfhaft, aber nichts kommt. Und wenn das der Fall ist, dann brauchst du den zweiten Denkmodus.
Sobald wir nicht mehr aktiv über ein Problem nachdenken, startet das diffuse Denken. Der Geist fängt an zu wandern. Frei dürfen unsere Gedanken sich jetzt auch wieder mit anderen Dingen beschäftigen. Wenn “härter nachdenken” nicht mehr hilft und eher dazu führt, dass sich die Lösung immer weiter vor dir zurückzieht, dann ist es Zeit für eine Pause. Bzw. es ist Zeit für das diffuse Denken. Denn sobald wir aufhören, über den Namen nachzudenken, auch wenn es ein paar Sekunden dauert, spuckt unser Gehirn den Namen irgendwann aus. Denn unser Gehirn arbeitet unterbewusst an dem Problem weiter. Ungelöste Probleme lassen uns nämlich auch dann nicht los, wenn wir bereits über andere Dinge nachdenken.
Learning: Wenn dein Kopf nicht mehr will, dann wechsle den Denkmodus. Egal ob du jetzt einen Namen suchst oder einen Lernmarathon durchziehst oder ein Buch schreibst oder was auch immer.
Die Entscheidung eine Pause zu machen und die Entscheidung eine sinnvolle Pause zu machen sind zwei Dinge. Denn der diffuse Denkmodus ist kein Fan von neuem Input, auf den man sich fokussieren soll. Doch was machen wir meistens, wenn wir nicht mehr weiterkommen? Smartphone an und dann erstmal gemütlich auf Instagram den Daumen arbeiten lassen. Junkfood für den Kopf, in Form von schnell geschnittenem Social Media Content, ist nicht die geilste Idee bzw. sorgt nicht für geile Ideen.
Trotzdem gehen wir auf TikTok, Facebook, WhatsApp und das immer, wenn wir gerade mal 2 Sekunden Zeit haben durchzuatmen. Selbst abends im Bett scrollen wir nur durch neuen Input, solange bis uns das Handy aus der Hand ins Gesicht fällt. Und wir merken, jetzt sollte ich es mal zur Seite legen …
So aktiviert man das diffuse Denken nicht …
Was sind die besten “Werkzeuge” um diffus zu denken? Die Dame, die diese beiden Modi des Denkens prominenter gemacht hat, ist Barbara Oakley. Sie nennt zwei sehr bekannte Beispiele, von zwei berühmten Männern, die ganz bewusst mit dem diffusen Denkmodus gearbeitet haben. Einer von beiden war der Maler Salvador Dalí. Dieser stand (oder saß) vor seiner Leinwand und sobald er nicht mehr weiterkam, machte er eine Pause.
Er ging hinüber zu seinem Ohrensessel (so stelle ich es mir vor), setzte sich und schloss die Augen. Dabei hielt er gleichzeitig einen Schlüssel in der Hand und lies diesen über die Lehne ragen. Sobald er in einen Zustand der Entspannung kam und sein ganzer Körper sich entkrampfte, fiel der Schlüssel mit einem klirren auf den Boden. Zeit für Dali weiterzuarbeiten.
Doch nicht nur für kreatives Arbeiten ist diese Methode nützlich, um vom fokussierten Modus in den diffusen Denkmodus zu kommen. Edison hatte einen ganz ähnlichen Trick. Er arbeitete, bis der Kopf nicht mehr wollte und setzte sich dann in einen Stuhl. Hand über die Lehne - darin ein paar Kugellager. Sobald der Schlaf kam, fielen die Kugellager. Zeit für die nächste Erleuchtung.
Im diffusen Denkmodus entstehen neue Verbindungen. Man sieht wieder klarer. Und man kann weiterarbeiten. Es macht also wenig Sinn, im fokussierten Modus zu bleiben, wenn der keine Ergebnisse liefert. Dalí und Edison setzen auf Mini Naps von wenigen Sekunden. Doch das ist nur ein Weg, wie du deinen Kopf entspannst. In erster Linie geht es darum, dem Kopf keinen neuen Input zu liefern. Eine Methode, die deshalb auch funktioniert ist Meditation. So macht es der Schöpfer einer der erfolgreichsten Sitcoms der Welt: Jerry Seinfeld.
Er selber sagt, dass er als Stand-up-Comedian ständig am Anschlag ist. Entweder er schreibt, oder er performt auf der Bühne und das ist mental auslaugend. Wenn er deshalb in seinen Schreib-Sessions, in denen er neue Gags erfindet, nicht weiterkommt, dann meditiert er. Er nutzt dafür die transzendentale Meditation. (Dabei sagt man sich im Kopf Mantren vor. Ommmmmmmm)
Das Wichtigste für ihn ist es seinen Akku schnell wieder aufzuladen. Denn wer als Knowledge-Worker ständig keine mentale Power mehr hat, der kann auch weniger leisten. Logisch. Allerdings ist meditieren nicht jedermanns Sache.
Auch super ist deshalb einfach etwas mit den Händen zu machen. Am besten irgendwas richtig langweiliges. Spülmaschine ausräumen. Sachen abheften. Wäsche aufhängen, falten, bügeln. Das Wohnzimmer saugen. Alles im Haushalt ist wirklich derbe langweilig, aber oft auch der ideale Break für den Kopf.
Was natürlich immer geht, ist ein Spaziergang oder Sport. Schon 10 Minuten intensiver Sport können den Kopf einmal komplett durchblasen und das diffuse Denken aktivieren.
Weitere Möglichkeiten sind Baden oder Duschen und natürlich schlafen. Aber das geht nicht immer … außerdem sind lange Naps ganz schön gefährlich … denn aus 20 min werden ja eigentlich immer 2 Stunden ...
Das einfachste Tool, was ich für mich gefunden habe, ist allerdings einfach 15 min ins Leere schauen. Jo, ich weiß das klingt super albern, aber es hilft. Einfach mal 15 min die Maserung der Raufasertapete bewundern und mein Kopf hat wieder Bock auf Probleme lösen. Allgemein habe ich das Gefühl, je langweiliger es wird und desto weniger Input ich reingebe, desto mehr will der Kopf irgendwas Spannendes selber erschaffen.
Seinen Kopf wieder frisch zu machen ist etwas, das man trainieren kann und sollte. Jerry Seinfeld sagt dazu, wer so ein Tool in der Tasche hat, ist wie Christopher Kolumbus mit einem Kompass. Auch, wenn das der schlechteste Vergleich überhaupt ist, so bleibt doch eins klar: Gedankennebel nervt und man kann ihn oft schneller loswerden als man denkt.
Es ist wichtig in unserer schnellen Welt genauso schnell auf neue und kreativere Lösungen zu kommen. Und manchmal ist es der einfachste Weg dorthin, eine Pause zu machen. Aber genau das fällt vielen Menschen schwer, denn unsere Gesellschaft ist 24/7 auf Strom geschaltet. Deshalb ist es vermutlich für viele contraintuitiv und fast schon schmerzhaft einfach mal zu pausieren. Irgendetwas mit dem Kopf zu tun ist oft leichter als nichts zu tun. Trotzdem solltest du es versuchen, denn auch wenn du nicht gerade die nächste 500 Millionen Dollar Sitcom erschaffen solltest, so lohnt es sich doch einfach mal den Kopf diffus denken zu lassen. So wird man den Brain Fog schneller los und der Kopf kann weitermachen. Und wer weiß … vielleicht spuckt er dir eine überraschend geniale Ideen aus.